Nie wieder PKV
Denn sie hat viele Nachteile...
Als ich mich damals vor 20 Jahren selbstständig gemacht habe, war ich der Meinung, dass man als Selbständiger in die private Krankenversicherung muss.
Das war so ein "ungeschriebenes Gesetz", aber leider nicht wahr.
Es wäre genauso möglich gewesen, sich weiter "freiwillig" in der gesetzlichen Krankenversicherung weiterzuversichern.
Wenn man einen Vergleich für private Krankenversicherungen im Internet machte damals, wurde man sofort von vielen Maklern und Unternehmen angerufen und man bekam unzählige Vorteile auufgezählt, die ich hier auch der Vollständigkeit halber mal aufzählen und danach alle einzeln bewerten möchte:
Vorteile der privaten Krankenversicherung
- Günstigere Beiträge: vor Allem in jungen Jahren
- Bausteintarife: Ich zahle nur für das, was ich möchte
- sehr zeitnah Arzttermine vor Allem bei Fachärzten
- Beitragsrückerstattungen bei Leistungsfreiheit
Meine Erfahrungen mit der PKV
... nachdem ich seit über 20 Jahren drin bin und mittlerweile 44 Jahre alt bin:Zum Thema "Günstigere Beiträge":
Ja, stimmt.Anfangs schon.
Ich hatte einen PKV-Tarif mit "Chefarztbehandlung", 1-Bett-Zimmer, 100% Kostenerstattung im Krankenhaus, 100% Kostenerstattung bei Zahnbehandlungen, 80% bei Zahnersatz (Kronen, Gebiss usw)., 100% Erstattung beim Heilpraktiker
Für das Ganze zahlte ich 2005 monatlich schlappe 200 €.
Und das, EGAL wieviel Geld ich monatlich verdiente.
Zur Erklärung:
Damals lag der Prozentsatz für die gesetzliche Krankenversicherung bei 12,7%
Diese teilen sich der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in jeweils 6,35%, aber als Selbständiger musst Du BEIDE Teile zahlen, da Du ja gleichzeitig AN und AG bist.
Bedeutet:
Wenn ich als Selbständiger 1600 € verdiene, zahle ich bei 12,7% Krankenversicherungsbeitrag für die gesetzliche KV 203,20 € im Monat.
Und das auch nur, wenn meine gewählte GKV keine Zusatzbeiträge erhebt, was die meisten aber ZUSÄTZLICH tun.
Da ich mehr verdient hatte, war die private Krankenversicherung trotz höherer Leistungen wesentlich günstiger...
PS: Mittlerweile, 20 Jahre später, zahle ich 450 € für meine PKV...
Der Beitragssatz der gesetzlichen liegt aktuell (2024) bei 14,6% ohne Zusatzbeiträge.
Wenn ich also fast doppelt so viel verdienen als damals (3000 €), dass die PKV immernoch günstiger ist:
3000 € x 14,6 : 100 = 438 €
Ein kleiner Unterschied......
ABER:
Jedes Jahr ungefähr im November flattert ein Brief in den Kasten, dass die Monatsbeiträge der PKV "leider" angepasst werden müssen.
Ob das rechtlich haltbar ist, wurde schon oft diskutiert und soll hier nicht Thema sein.
Fakt ist: Man hat wenig Optionen.
Denn: Widerspricht man, bekommt man die Kündigung.
Ohne Krankenversicherung darf man aber auch nicht sein.
Denn: In Deutschland besteht seit dem 1. April 2007 für alle Personen die Pflicht, eine Krankenversicherung abzuschließen.
Heißt: Du musst Dir eine neue suchen.
Nur leider habe ich erstens seit vielen Jahren in der bestehenden Versicherung die Beitragsrückstlelungen für das Alter mitgezahlt (die verfallen würden, wenn ich kündige) und zweitens wäre eine neue PKV WESENTLICH teurer als die bisherige?
Warum?
Einfach: Weil das neue Eintrittsalter zählt für die Berechnung des neuen Beitrags.
Und das ist leider 20 Jahre älter als das Eintrittsalter damals....
Bedeutet, dass die Beiträge der neuen Versicherunge quasi unbezahlbar wären.
Also muss ich die Beitragserhöhung quasi kommentarlos hinnehmen.
Dies bedeutet wiederum, dass die PKV-Anbieter quasi die Preise machen (und erhöhen) können, wie sie wollen...
Ein handfester Skandal....
Abhilfe schafft nur, wenn man von den Bausteintarifen welche abwählt. Die Chefarztbehandlung ist dann plötzlich doch nicht mehr soooo wichtig, wie ursprünglich gedacht....
Apropos:
Zum Thema Bausteintarife
ja, die sind toll.Man kann neben verschiedenen Stufen für die einzelnen Behandlungsarten "X% Kostenübernahme bei Heilpraktiker" usw auch die Selbstbeteiligung wählen.
Viele kennen das wahrscheinlich von der Teilkaskoversicherung des Autos.
Da gibt es Modelle, bei denen man kaum Selbstbehalt bei der privaten Krankenversicherung zahlt, aber auch Tarifbausteine, bei denen es weit über 1000 € sind.
Ich persönlich hatte damals 1000 € Selbstbeteiligung pro Kalenderjahr ausgewählt.
Eine tolle Sache, denn dadurch sinken die monatlichen Beiträge enorm.
Problem daran: Du musst alles quasi selbst zahlen, wenn die Rechnungen in einem Jahr unter 1000 € sind.
Man kann Arztrechnungen immer sofort bei der Versicherung einreichen, aber auch so lange warten und sammeln, bis das Jahr vorbei ist.
Sammeln macht bei einer Selbstbeteiligung Sinn. Denn so erfährt die Versicherung evtl nie, was Du für Erkrankungen hast.
Beispiel:
Du gehst zum Zahnarzt im Juli und sollst 300 € zahlen.
Die überweist Du dann, weil Du ja als privat-Versicherter ja die Rechnungen alle selbst bekommst.
Die Rechnung hebst Du auf und wartest ab, wie oft Du im selben Jahr noch zum Arzt musst.
Denn das Einreichen der 300 €-Rechnung bei Deiner Versicherung hätte nur zur Folge, dass die Dir zurückschreiben: "Danke, aber Du hast ja 1000 € Selbstbeteiligung, also zaheln wir nichts und Du hast nun nur noch 700 € Selbstbeteiligung für den Rest des Jahres".
Es bringt dir also nichts, während des laufenden Jahres etwas einzureichen..
Der andere Fall: Am 27. Dezember entzündet sich ein Zahn und Du hast heftige Schmerzen....
Preisfrage:
Gehst Du zum Arzt und zahlst den kompletten Betrag bis 1000 € weil Du dieses Jahr noch garnicht beim Arzt warst?
Oder wartest Du 4 Tage, bis das Jahr zu Ende ist?
Denn wenn Du anfang eines Jahres zum Arzt gehst, ist die Chance natürlich wesentlich höher, dass Du die dann neue Selbstbeteiligung mehr "nutzen" kannst, weil Du im Folgejahr evtl öfters zum Arzt gehen musst oder dann gleich Vorsorgeuntersuchrungen mitmachen kannst?
Was ist, wenn es nicht "nur" eine Zahnentzündung, sondern eine gefährlichere Erkrankung ist?
Wird man hier nicht ein Stück weit indirekt gezwungen, NICHT zum Arzt zu gehen?
Weitere Probleme bei der Selbstbeteiligung:
Die Selbstbeteiligung ist stillschweigend gestiegen in den letzten 20 Jahren von 1000 € auf 1250 € (Inflation??)
Auch dagegen etwas zu unternehmen oder zu protestieren hat sich leider als sehr erfolglos rausgestellt.
Siehe auch oben beim Wechsel der PKV.
Die Beitragsrückerstattung
Nächstes Thema, das zusammenspielt mit der Selbstbesteiligung.Wenn ich in einem Kalenderjahr NICHT beim Arzt war (oder dort war, aber keine Rechnungen eingereicht hatte), dann bekomme ich ca einen kompletten Monatsbeitrag (mittlerweile 450 €) zurückerstattet wegen "kostenbewusstem Verhalten".
Was soll man dazu sagen?
Auch hier: Wird man hier nicht auch (wie beim Selbstbehalt oben) wieder gezwungen, NICHT zum Arzt zu gehen?
Folgende Rechnung:
Wenn ich also wegen meinem besagten entzündeten Zahn am 27.12. zum Arzt gehen würde, müsste ich also nicht nur alles bis zu meinem Selbstbehalt von 1250 € zahlen, sondern ich bekäme auch die Beitragsrückerstattung von 450 € nicht...
Diese muss ich also DAZURECHNEN bei meiner Kalkulation, wann ich zum Arzt gehe und wann nicht.
Gedanklich brauche ich also erst Rechnungen einzureichen, wenn ich in einem Kalenderjahr Kosten von mehr als 1250+450 = 1700 € gesammelt habe.
Oder umgekehrt formuliert: Alles, bis zu 1600 € im Jahr muss ich selbst bezahlen.
Und diese 1700 € müsste ich eigentlich auf den Monatsbeitrag von aktuell 450 € noch dazurechnen.
Wären monatlich plus 141,66 €, also 591,67 € Monatsbeitrag, den ich effektiv zahle, wenn ich einige Mal im Jahr zum Arzt gehe....
Das macht die Rechnung oben von wegen "günstiger als GKV" erneut sehr schwach...
Zum Thema "Zeitnahe Arzttermine"
Ja, das ist richtig.Wenn es auch nicht erlaubt ist, bevorzugt mich jeder Arzt, indem ich
- als erster im Wartezimmer an die Reihe komme
- plötzlich doch statt erst zum Jahresende beim Facharzt "gerade in diesem Moment" ein Termin für morgen (!!!) freigeworden ist, sobald ich am Telefon beiläufig erwähne, dass ich privat versichert bin.
SEHR UNGERECHT, wie ich selbst finde.
Daher:
Nie wieder private krankenversicherung: zu viele Nachteile
Wie seht Ihr das Ganze?
Danke für Eure Kommentare!
Beitrag geschrieben am 24.07.2024 11:38, letzte Änderung: 24.07.2024 14:49
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Kommentare zu "Nie wieder PKV":
Danke für die Erleuchtung!
Ist doch nicht alles so rosig in der privaten, wie viele sagen. Eigentlich gehört die 2-Klassengesellschaft abgeschafft.
geschrieben am 28.07.2024 20:55
Ist doch nicht alles so rosig in der privaten, wie viele sagen. Eigentlich gehört die 2-Klassengesellschaft abgeschafft.
geschrieben am 28.07.2024 20:55
find ich auch. Vor Allem weil die Privat-versicherten immer direkt nen Termin bekommen, obwohl man die eigentlich nicht bevorzugen darf...
geschrieben am 04.08.2024 21:05
geschrieben am 04.08.2024 21:05
Ich bin 65 und Rentner. Die Beiträge fressen die Hälfte meiner Rente auf.
geschrieben am 06.08.2024 14:22
geschrieben am 06.08.2024 14:22
das wusstest du aber doch vorher, oder?
geschrieben am 12.08.2024 11:15
geschrieben am 12.08.2024 11:15
Nein, dass es so krass wird, hat mir niemand gesagt. Zahle das 3fache wie früher. Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit?
geschrieben am 14.08.2024 18:38
geschrieben am 14.08.2024 18:38
Verstehe nicht, warum man nicht im Dezember zum Arzt geht? Wenns was ernstes is?
geschrieben am 20.08.2024 13:58
geschrieben am 20.08.2024 13:58